Skip to main content

17.01.2021: Was für ein Jahr oder alles Corona oder was?

Ich bin geneigt nicht 2020 zu sagen, sondern Corona. Im Januar noch haben wir beim Abflug nach Neuseeland ein richtig süffiges Coronabier kredenzt, nicht ganz ohne Hintergedanken. Ich gebe zu, damals habe ich den ganzen Tsunami, der auf uns zukam, noch heillos unterschätzt und das Ganze für eine Schnapsidee gehalten, ähnlich wie Vogelgrippe oder so. Aber oha!

Gut, Neuseeland haben wir in vollen Campern – um nicht zu sagen Zügen – genossen. Es hat sich jedoch auch dort nicht nur alles zum Guten verändert in den letzten knapp dreissig Jahren. Die (un)heilbringende Globalisierung hat auch dort ihre Spuren hinterlassen, allen voran der Massentourismus, zumindest hat dies uns direkt betroffen. So hat sich zum Beispiel Cathedral Cove auf der Coromandelhalbinsel zum überfüllten Rummelplatz entwickelt, und Auckland ist nicht mehr very british sondern bloody chinese. Einheitsbrei und Konsumzuvielisation soweit das Auge reicht entlang der Queenstreet. Zum Glück gibt es auch noch die etwas entlegeneren Landschaftsstriche, die ihre ursprüngliche Vitalität und Wildheit bewahren konnten. Seis drum, wir haben trotzdem sechs friedliche coronagschtürmfreie Ferienwochen erleben und geniessen können.

Umso krasser dann die Rückkehr in die Schweiz! Zwei Tage vor dem Lock down wähnten wir uns im falschen Film. Die gespenstische Leere am Zürcher HB am ersten Arbeitstag hatte etwas Apokalyptisches. Die Strassen wie leergefegt und selten mal ein verdutzt achselzuckender, ungläubig den Kopf schüttelnder Passant. Nach einem ersten Schock kann ich dem Ganzen aber durchaus eine gute Seite abgewinnen: wohltuende Ruhe, die unnötige Konsumwut auf das Nötigste beschränkt. Und siehe da, auch so ist ein Leben möglich – abgespeckt vom unnötigen Ballast, naturrein. Ach du blauäugiger Phantast. Meine Befürchtung bewahrheitet sich nur allzu rasch und im Handumdrehen ist der Konsumflutunnützebeschäftigungswahnsinn wieder allgegenwärtig.

All dies kann ich natürlich sehr überheblich in die Welt posaunen: ich habe meine Flugmeilen eingezogen, gehe jeden Tag einer gut entlöhnten Beschäftigung nach, erfreue mich bester Gesundheit und kann mich relativ frei bewegen mit Bike, Kanu oder Wanderschuhen. Die Maske auf den ruhigen Zugfahrten stört auch nicht wirklich, es sei denn die Brille beschlage sich und verunmögliche mir den vermeintlichen Weitblick.

Zugegeben, die eingeschränkten sozialen Kontakte machen mir je länger je mehr zu schaffen. So schön es ist, mit meinen Liebsten die Freitage zu verbringen, der ungehinderte Kontakt zu fremden Leuten, Feste mit kollektiver Heiterkeit und Optimismus, Theaterspiel und Alphorngruppenerlebnisse fehlen halt doch. Die Gedanken werden schwermütiger. Die Leichtigkeit des Seins droht zu ersticken. Es ist wohl kein Zufall, dass ich dieses Jahr kiloweise Psychologie-/Psychiatriebücher verschlungen habe. Irvin Yalom hat aber auch eine sehr spannende, unterhaltsame Art, die grossen Probleme des Menschseins darzulegen.
Ich kann es den Jungen nicht verübeln, dass sie der Situation überdrüssig werden, immer weniger Perspektiven sehen und aus dem Tritt geraten. Sie brauchen den sozialen Ausgleich sprich Ausgang umso dringender, da sie sich ja in einer wichtigen Findungsphase befinden. Ich habe zudem das Gefühl, die ernsthafteren Erkrankungen dringen immer mehr in meine Komfortzone vor. Wie heisst es doch: tempora mutantur et nos in illis – hoffentlich…

So habe ich mir eine Drechselbank erstanden: diese dreht und dreht, das Werkstück in sich zentriert und alles wird rund!